"Unter Leuten" von Juli Zeh

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Angaben zum Buch

 
Titel: Unter Leuten
Autor: Juli Zeh
Seiten: 656
Verlag: btb
Erscheinungsjahr: 2017
ISBN:  978-3-442-71573-2
Preis: 12.00 €


Inhalt

Ein Dorf in Brandenburg! Idyllisch, umgeben von Natur! Eine Gemeinde, mit alteingesessenen Originalen. Wer möchte hier nicht leben? Doch wie ist es dort wirklich? Trügt der Schein, den diese perfekte kleine Welt ausstrahlt? Und was passiert, wenn etwas die Bewohner aus der Fassung bringt?

Meine Meinung

Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Bloggerportal als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt, wofür ich mich zuerst einmal bedanken möchte.

Der Titel „Unter Leuten“ gibt bereits den Hinweis darauf, was den Leser in dieser Erzählung erwartet. Zum einen handelt es sich hierbei um den Namen des fiktiven Ortes, in welchem die Geschichte spielt, zum Anderen wird vorausgedeutet auf den Kern der Geschichte, nämlich der Beschreibung dessen, was unter den Leuten im Dorf vor sich geht. Und darum geht es tatsächlich in diesem Roman, die Leute. Der Leser sieht sich einer ganzen Armee von Figuren gegenüber. Aus der Sicht elf verschiedener Charaktere werden dem Leser die Umstände in Unterleuten näher gebracht. Oft wird dasselbe Ereignis von unterschiedlichen Figuren wiedergegeben und bewertet. Auch die Charakterisierung findet aus unterschiedlichen Blickwinkeln statt. Daraus resultiert ein interessanter Effekt. Der Streit um den Windpark sorgt für verschiedene Meinungen und Stellungnahmen bei den Figuren, wobei diese gleichzeitig andere Figuren für ihren Standpunkt verurteilen. Der Effekt, der daraus entsteht ist, dass man keiner der Figuren wirklich glauben kann. Wenn man meint, sich hinter die Anliegen einer Figur stellen zu können, kommt die nächste daher und betrachtet das Ereignis aus einem anderen Blickwinkel. Schon steht man wieder zwischen den Stühlen, denn es ist kein Geheimnis, dass sich im Dorf bereits vor langer Zeit Konflikte gebildet haben, die das gegenwärtige Geschehen beeinflussen. Besonders an den Figuren ist, dass diese größtenteils als massive Extreme dargestellt werden. Es gibt DIE emanzipierte Frau, DEN dorfeigenen Eigenbrötler, DEN Umweltaktivisten, aber eben niemals DIE gute oder schlechte Figur.
Wie die bereits erwähnten Lager, zeichnen Gegensätze den Roman aus. Diese beziehen sich nicht nur auf politische Meinungen. Beispielsweise stehen Dorf und Großstadt im Konflikt zueinander, woraus resultiert, dass auch neu zugezogene im Dorf argwöhnisch betrachtet werden. Die Freiheit im eigenen Leben ist ein wichtiger Punkt der Geschichte. Macht das Dorf frei? Oder hat man da bessere Chancen in der anonymen Großstadt? Auch die Zeit spielt eine große Rolle. Jung und Alt stehen einander gegenüber, Vergangenheit und Gegenwart sind oft nicht auseinanderzuhalten, einhergehend mit dem häufigen Wunsch nach Beständigkeit.
Was es darüber hinaus schwer macht irgendeine Person in diesem Buch zu mögen ist deren extremer Egoismus. Eigene Interessen stehen ohne Rücksicht auf Verluste im Vordergrund. Niemand denkt an den Anderen, niemand versucht es mit vernünftigen Gesprächen. Obwohl ich die oben genannte Darstellung der Extreme nicht schlecht fand, ist es dieser Punkt, der dem Roman einen kleinen Dämpfer versetzt hat. Ein Dorf, das nur aus Egoisten zu bestehen scheint, war für mich doch zuviel.
Ich kann diese Geschichte nicht als Highlight betrachten, einfach, weil ich wenig Vergleichsmöglichkeiten in Bezug auf dessen Inhalt und die damit verbundenen gesellschaftlichen Themen habe. Was mir auffiel ist, dass Juli Zeh stark mit den Extremen spielt. Ja, das erschafft den Eindruck des Übertreibens, aber gleichzeitig muss ich mich fragen, ob die Geschichte ohne diese radikalen Ansichten der Figuren überhaupt funktionieren würde. Dem Leser wird die Gesellschaft vor Augen geführt, ohne dass Partei für etwas ergriffen wird, was mir sehr gut gefiel. Durch die Extreme aller Seiten, ist es leichter, die Sachverhalte differenziert zu betrachten.
Darüber hinaus wird dem Leser die Geschichte mit einer Komplexität näher gebracht, die ich sehr beeindruckend finde. Allein die verschiedenen Wendepunkte und Spannungsmomente haben mich oft sehr überrascht, was das Buch nicht nur zu einer kritischen, sondern gleichzeitig spannenden Lektüre macht. Allein die Komplexität macht Juli Zeh für mich zu einer Meisterin ihres Fachs. Die Verbindung zahlreicher Themen, die Beziehungen zwischen den Figuren so intelligent dargestellt, dass Unter Leuten für mich zu einer Lektüre wurde, die mich auf ganz andere Art gefordert hat, als andere Geschichten, ohne zu oft langweilig zu werden. Besonders Leser, die sich für diese Debatten interessieren und einen kritischen Blick auf die Gesellschaft werfen möchten, sollten sich den Roman in jedem Fall anschauen.

In diesem Sinne: fröhliches Lesen 

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